Bleischwer fesseln mich meine Arme und Beine ans Bett. Ich fühle mich, als wäre ein Zug über mich gerollt. Jeder Muskel schmerzt. Ganz besonders die in den Augenlidern.
Ich überlege kurz, ob ich gestern nicht doch den ganzen Marathon gelaufen bin. Oder kann das eventuell an den hunderttausend Kalorien unseres abendlichen Höhepunktes liegen? Dem frittierten Snikers???
Ein bisschen wehmütig kuschle ich mich noch mal in die Decke und lasse meinen Blick durch mein kleines Paradies schweifen. Schade, dass solche Glückstage immer so schnell vergehen, während unerfreuliche Stunden sich wie ein labberiges Kaugummi endlos in die Länge ziehen. Ich plädiere dafür, diese Relativität einfach einmal umzukehren. Würde doch viel mehr Sinn machen.
Aber ein paar dieser Glücksmomente habe ich heute ja noch vor mir. Ein Abschlussgenuss mit meinem Cousin Alex und seiner Frau Rima im „Pilot“.
Es gibt Spargel! Den ersten in diesem Jahr für mich. Mein absolutes Lieblingsessen. Egal in welcher Form. Während dieser wenigen Wochen im Jahr könnte ich in Spargel baden.
Und zum heutigen Spargelbad werde ich von den Beiden sogar eingeladen. Ich schwelge in Hochgenüssen. Natürlich nicht wegen der Einladung. Sondern weil alles passt. Das Café ist großartig, das Sofa urgemütlich, die Menschen, mit denen ich mich darauf fläze, sind wundervoll und inspirierend – einer dieser Glücksmomente, die ewig andauern könnten.
Doch kommt der Abschied viel zu schnell. Mit einer Mischung aus Traurigkeit und Glücksgefühl schlendere ich in Richtung Thomaskirche. Eines möchte ich vor der Heimfahrt noch tun: Bach atmen!
Auf dem Weg dorthin lacht mir blühender Flieder entgegen. Ich kann es kaum glauben. Während auf meiner kleinen Insel die Fliederbüsche entlang der Promenade gerade ihr erstes Frühlingsgrün anlegen, steht der in Leipzig schon in voller Blüte. Ich kann nicht anders. Ich muss ihn berühren, seinen süßen Duft einsaugen.
In der Kirche mit der rotgeäderten Rippendecke empfängt mich Ruhe. Ich setze mich in eine Bank mit Blick auf die Orgel und die berühmte Thomanerchor-Empore. In mir wird es still.
Ich versuche mir vorzustellen, was dieser Bach, dessen Werke ich so sehr liebe, für ein Mensch gewesen ist und wie es wohl war, ihn und seine genialen Kompositionen allsonntäglich live zu erleben?
Die Bilder sind in mir so lebendig, dass ich sie hören kann, die hellen Stimmen. Wie aus ganz großer Ferne höre ich sie in meinem Inneren. Ich schließe die Augen, um ihnen besser lauschen zu können. Und das Rauschen des kurzen Regengusses draußen webt sich mitten hinein, in die himmlischen Harmonien. Was für ein wunderbarer Abschied für diese wunderbaren Tage.
Je näher ich der Insel komme, um so ungeduldiger und aufgeregter werde ich. Mein Herz macht einen Freudensprung, als das Petrol der Zecheriner Brücke an mir vorbei rauscht. Die Insel hat mich zurück. Ich fühle mich, als wäre das Puzzle wieder zusammengefügt. Der Thurbruch steht in Flammen. Die untergehende Sonne brennt sich goldgelb in die feuchten Auen.
Meine Beine können mit meinem wild pochenden Herz kaum Schritt halten. Doch dann stehe ich endlich auf weichem Sand. Der Blick rosarot und weit. Die Luft riecht so anders, wie frisch gewaschen. Und meine Seele – randvoll gefüllt mit wunderschönen Bildern und Erinnerungen – fliegt mit den Möwen um die Wette.
Ich bin angekommen!
Schlaft gut und träumt süß!
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