
Einschlafen und aufwachen mit dem leisen metallischen Klappern von Stahlseilen gegen Bootsmaste und mit den Gedanken an eine Herzdame. Im Paradies kann es nicht schöner sein.

Der Frühstücksblick auf glitzerndes Wasser und raue Felsen ist atemberaubend. Sie haben an den Masten vor dem Hotel extra für mich geflaggt. Denn ich bin, wie es klingt, die einzige Deutsche hier. Einträchtig flattert die deutsche Flagge neben der finnischen und der Flagge der Königlich-Schwedischen-Segelgesellschaft im Wind.
Was bedeutet, dass ich hier wirklich royal frühstücke. Denn in diesem elitären Club wird sicher nicht jeder einfach Mitglied werden dürfen. Allein der Mitgliedsbeitrag würde mich wahrscheinlich schon nach einem Monat arm wie eine Kirchenmaus machen.
Ich komme mir plötzlich sehr vornehm vor. Sitze gleich ein bisschen gerader und passe auf, dass mein Tisch nicht ganz so sehr danach aussieht, als hätte mit mir das Krümelmonster gefrühstückt. Obwohl das natürlich auch alles nur Menschen aus Fleisch und Blut sind. Hoffe ich doch. Die schicken Bötchen der blaublütigen Gesellschaft will ich mir jedenfalls doch einmal genauer begucken.

Einige der für den königlichen Segelclub reservierten Liegeplätze sind tatsächlich belegt. Groß. Größer. Royal. Wer da wohl gerade Sandhamn genießt? Angesichts so vieler Millionen, die hier sanft auf und ab schaukeln, wird mir schon ein wenig anders, wenn ich an meinen eigenen Kontostand denke.

Doch es wird Zeit, die Insel zu entdecken. Und das am liebsten als Laufmütze. Einmal rundherum und mitten hindurch durch den lichten Wald mit den vielen Blaubeer-Sträuchern. Überall glitzert das Blau der Ostsee zwischen den Kiefern hindurch. Der Waldboden federt meine Schritte sanft ab. Ich vergesse die Zeit.

Plötzlich zuckt etwas vor mir auf dem Weg. Eine kleine Kreuzotter sonnt sich dort seelenruhig. Meine Mama wäre begeistert und vor Freude ganz aus dem Häuschen gleich auf den nächsten Baum gesprungen, würde sich ein solches Tierchen in ihren Weg legen. Ich dagegen bin fasziniert von der schön gemusterten Haut. Natürlich beschaue ich sie mir mit Respekt vor den giftigen Zähnchen aus dem nötigen Abstand heraus an. Es wird nicht die einzige Kreuzotter bleiben, die meinen Lauf heute kreuzt. Sandön scheint ein Schlangenparadies zu sein.

Und ein felsiges Paradies obendrein. Ich klettere wie eine Bergziege über sämtliche Felsformationen. Ganz oben will ich stehen und alles sehen. Zu meiner Freude entdecke ich viele, einsame Strände. Der Plan für morgen steht schon nach ein paar Kilometern fest: Strandsandkuscheln.

Das Örtchen Torvill im Süden der Insel ist ein reines Feriendorf. Hier stehen überall zwischen den Kiefern wunderschöne Häuschen für Auszeitler und Ostseehungrige. Doch auch, wenn die Insel derzeit voller Urlauber sein soll. Zu sehen, sind nur ein paar wenige. Die schlendern mir auf der Hauptstraße zwischen Sandhamn und Torvill in aller Gemütlichkeit entgegen.

In der kleinen Sandhamns-Bageriet komme ich nicht nur in den Genuss einer echten, schwedischen Köstlichkeit, der Zimtschnecke, sondern auch in den Genuss so mancher Sandön-Fakten. So hat die Insel gerade einmal knapp 100 Einwohner. Dass der Postbote da jeden kennt, erklärt meine gestrige Neugier. Und auf Sandhamn spielen die berühmten Krimis der Bestseller-Autorin Viveca Sten. Die Insel eignet sich offensichtlich ideal zum Meucheln unliebsamer Zeitgenossen. Allerdings dezimiert das die ohnehin recht spärliche Einwohnerzahl doch beträchtlich. Auch der Schriftsteller August Strindberg wohnte hier eine Zeit lang mit seiner Frau Siri und schrieb hier fleißig an seinen Büchern. Die Insel scheint die Fantasie anzuregen.

Denn für große Abenteuer und Action ist Sandön nicht geeignet. Hier ist man eher zum süßen Nichtstun verdammt. Wenn die Italiener sich für ihr la dolce vita mal nicht bei den Schweden bedient haben.

Am Nachmittag erklettere ich den Felsen Kvarnberget, lege mich auf seinen sommerwarmen Stein und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Gleich bei seinem ersten Anblick habe ich den Aussichtspunkt den Ayers Rock von Sandön getauft. Denn sein felsiges Massiv wächst wie aus dem Nichts aus dem Strandsand der Insel heraus. Die Aussicht auf die Schären und die vielen, kleinen Inseln ist grandios! So grandios, dass ich am Abend noch einmal wiederkomme und den Lichtstreifen der untergegangen Sonne bestaune. Ich habe Gänsehaut. Obwohl es ein warmer Abend ist. Und ich bin dankbar, dass ich all das erleben und genießen kann.
God natt sov gott och dröm sött.

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