
Hell scheint die Sonne in mein Zimmer. Will mich mit einem strahlend blauen Himmel nach draußen locken. Doch ich kuschel hundemüde lieber noch ein bisschen mit den Gedanken an eine wundervolle Frau.
Doch irgendwann schaffe ich es und raffe mich und meinen Schweinehund auf und springe in diesen Tag. Sandhamn! Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, haben wir früher immer gesagt.
Das Frühstück schmeckt nach solch einer langen Nacht gleich nochmal so lecker und ist äußerst entspannt. Obwohl alles durcheinander wimmelt, ist es angenehm ruhig. Relaxed. Und gut gelaunt. Niemand drängelt, als die offizielle Frühstückszeit längst vorbei ist und das Gewusel am Büfett nur unmerklich weniger geworden ist. Schweden eben.
Spät ist es offenbar auch an anderen Tischen geworden. Augenringe, Pride-Bändchen an den Handgelenken und in den Gesichtern ein seliges Lächeln – die Pride war ein schrilles, aufregendes und beglückendes Event.

Das Wetter ist großartig! Und ich freue mich auf ein paar Tage Auszeit. Ruhe in meine wilden und sich überstürzenden Gedanken und Gefühle zu bringen.

Den Wind auf meinem Gesicht zu spüren, während wir an wunderschönen Wasserlandschaften – hier Schären genannt – mit hunderten kleinen Inseln vorbei in Richtung Sandhamn schippern, ist wie eine himmlische Wellness-Anwendung. Nur tausendmal schöner. Denn sie reinigt auch den Geist. Einmal den Kopf so richtig durchpusten, bitte! Damit all die Ängste, die in mir rumoren, mit dem Wind weggeweht werden.
Dass mein Weg mich heute geradewegs zu Pippi Langstrumpf führt, ist glasklar. Hinter mir sitzen nämlich Tommy und Annika und winken den unzähligen Motorbooten fleißig zu. Die Inseln werden zunehmend einsamer. Ihre Küsten – schroff, felsig, urwüchsig – werden von tiefhängenden Wolken geküsst. Wild und romantisch und ungezähmt erinnern sie mich an eine faszinierende Frau.

Die Motorboote weichen stillen, sanften Segelbooten, die in der Nachmittagssonne durch die Zeit gleiten. Schon von Weitem kann ich die roten Häuser von Sandhamn ausmachen.
Oft macht man sich im Vorhinein ein Bild von einem Ort und ist dann enttäuscht, wenn dieses Bild dann Realitätsrisse bekommt. Ich habe versucht, mir von Sandhamn – bis auf die wenigen Fotografien, die ich gesehen habe – keine Vorstellung zu machen. Und bin auf den ersten Blick verliebt. Von der Idylle dieser Insel, der Energie, der Langsamkeit und der Stille. Das einzige, was hier laut ist, ist das heftige Gewitter, das über uns hinwegzieht.

Doch es wird Zeit, mich auf die Suche nach Pippi zu machen. Straßen gibt es auf Sandön – so heißt die Insel – keine und offenbar auch keine Uhrzeit. Der Ort ist so wunderschön, dass ich schon allein auf seiner Promenade, der Beach Road, alle zwei Meter stehen bleiben muss und ins Schwärmen gerate. Was bei uns gepflasterte Bürgersteige, sind in Sandöns Hauptort Sandhamn Holzbohlen. Das hat Flair.

Der kurze Regenschauer ist mir bei meinem Gestaune herzlich egal. Unter dem Blätterdach einer alten Linde wandert mein Blick über die Hafenbucht. Vom Anleger tutet heiser das alte Dampfschiff herüber. Leises Glück durchströmt mich.

Hinter fast jedem schmalen, verwinkelten Weg oder jeder Gassenecke legt sich ein noch schönerer Anblick vor mich hin. Autos? Ich habe noch keines gesehen. Aber dafür gibt es Spielstraßen.

Einkaufen geht der gemeine Sandhamner mit dem Bollerwagen. Ist einfach praktischer bei einem halben Meter Wegbreite. Und es würde mich gar nicht wundern, wenn hier ganz unvermittelt der Kleine Onkel mit seinen Dalmatinertupfen um die nächste Bullerbü-Ecke biegt.

Ich frage mich, wie hier die Post wohl die Briefe zustellt? Es gibt keine Straßen- oder besser Wegenamen, keine Hausnummern oder Namen an den Pforten. Gut, wahrscheinlich ist die Insel so klein, dass der Postbote jeden Einwohner schon seit der Geburt kennt.



Abendessen mit Blick hinunter auf den Hafen. Mehr geht nicht! Das nenne ich Lebensgenuss. Ich bin angekommen im Paradies – einem Ort, der Körper und Seele gut tut. Meiner Urlaubsmission Nummer 2 steht nun nichts mehr im Wege: Ausspannen, entspannen, zur Ruhe kommen, den Kopf leer machen. Dafür das Herz mit wunderschönen Bildern füllen. Das, was mich bewegt und berührt – ohne Ablenkung – ganz pur spüren.

Und meinen nach kulinarischen Genüssen lechzenden Gaumen verwöhnen. Schade, dass es als unmanierlich gilt, den Teller abzulecken.
Wenn dann im Paradies die Sonne untergeht, überzieht sie die kleine Insel mit einem goldenen Schleier, in den sämtliche Wünsche und Sehnsüchte eingewoben scheinen.
God natt sov gott och dröm sött.

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