Seebad Ahlbeck, 19. November 2017


Ein Schiff der Superlative © Sandra Grüning
Kleine, weiße Flocken tanzen vor meinen beiden Fenstern im Wind. Ich kuschle mich unter die Decke und schaue dem Treiben zu. Am liebsten würde ich die Zeit anhalten. Nur, um nicht wieder weg zu müssen aus dieser wunderschönen Stadt.

Muss ich ja zum Glück auch noch nicht. Noch nicht…

Das Vasa Museum wartet heute auf mich. Ein letztes Frühstück mit Blick übers Wasser und auf geht’s. Wie das mit den SMS-Metrokarten funktioniert, weiß ich inzwischen. Klappt super! Ich werde langsam zur Stockholmerin.

Im Vorbeigehen registriere ich, dass es gleich neben der Vasa ein Sprit-Museum gibt. Ist sofort auf meiner To-Do-Liste fürs nächste Mal vermerkt. Dort steht schon so vieles, dass mir gar nichts anderes übrig bleiben wird, als wiederzukommen. Und wenn ich nur für den Namen der süßesten Schwedin wiederkommen müsste, die mir je begegnet ist. Das wäre die Reise und den Flug und die Panik allemal wert.

Die Vasa ist wirklich beeindruckend! Ich komme mir angesichts ihrer Ausmaße winzig vor. Da hatte jemand offenbar mächtig was zu kompensieren. Aber damit hat sich dieser jemand, um ihn nicht Gustav II. Adolf von Schweden zu nennen, offenbar auch gewaltig überschätzt. Schließlich ist das Schiff wegen Pfuschs am Bau und realitätsferner Wunschvorstellungen bereits bei seiner Jungfernfahrt in der Hafeneinfahrt gesunken. Ups…

Doch wurde es in den 1960ern aus 30 Metern Ostsee-Tiefe geborgen und ist nun das einzige erhaltene Schiff aus dem 17. Jahrhundert. Und was für eines! Eines, auf das die Stockholmer zu Recht stolz sind: Drei riesige Masten, zehn Segel, 52 Meter vom Masttopp bis zum Kiel und 69 Meter vom Bug bis zum Heck und 1.200 Tonnen Gewicht. Ohne alle Kanonen, die es schließlich zum Sinken brachten. Wow!

Durch schiere Größe geplättet © Sandra Grüning
Die alte Dame wurde zu 98 Prozent aus Originalteilen rekonstruiert. Was für eine Puzzlearbeit! Um sie zu erhalten, wurde das Museum, das ein eigenes Mikro-Klima besitzt, einfach um sie herum gebaut. Ein tolles Gesamtkonzept wurde entworfen, in dem man als Besucher Geschichte wahrhaft anfassen und erleben kann. Vom Schuh eines Seemannes aus dem 17. Jahrhundert über Videos wie so ein Seefahrerleben damals ausgesehen haben könnte bis hin zu den, aus der Vasa geborgenen, Skeletten und den Gesichtsrekonstruktionen der Ertrunkenen. Mein Historikerherz macht Luftsprünge.

Und immer wieder, weil allgegenwärtig, dieses gewaltige Schiff. Mich würde es unglaublich reizen, es einmal betreten zu können. Aber man kann schließlich nicht alles haben. Schade!

Die Spaziergängerin von Stockholm © Sandra Grüning
Wie schön, dass ich die Zeit heute auf meiner Seite weiß. Auch, um in meinem momentanen Lieblingscafé noch entspannt, einen letzten Cappuccino zu trinken…

Einschub: Der ist aber auch verdammt läcker!

…und jemand Besonderem eine so richtig kitschige Ansichtskarte zu schreiben. Sorry, du hast es so gewollt. Aber ich weiß, dass du dich darüber sehr freust. Und darum mache ich das gern.

Zeit für Muße © Sandra Grüning
Seit ich auf einem Schiff zuhause bin, habe ich Schwankungsprobleme auf dem festen Land. Klingt komisch. Ist aber wahr. Ich hab häufiger mal das Gefühl, die Erde bewege sich. Und das ganz ohne Alkohol. So muss es Seeleuten gehen.

Ob das wieder nachlässt? Oder werde ich jetzt eine Seeratte?

Eisgekühlter Abschied mit Tränen © Sandra Grüning
Stockholm verabschiedet sich standesgemäß mit einem Hot Dog, ABBA und frostig kalten Temperaturen. Einmal enteisen, bitte! Bevor der Vogel abheben soll. Ich kann deutlich fühlen, wie sehr mein Puls rast. Ich frage mich, wo er wohl hin will? Der Weg zur Startbahn erscheint mir ewig lang. Wie der Weg zum Schafott. Die Turbine dreht auf und wir poltern los. Unglaublich wie schnell so viele Tonnen vom Boden abheben können. Und ich mitten drin, in dieser Sardinenbüchse. Ich bete inbrünstig, uns möge es nicht wie der Vasa ergehen. Ich möchte noch nicht untergehen. Oder besser gesagt: ohne Fallschirm wie ein Stein aus dem Himmel fallen.

Ich, für meinen Teil, hätte dem Piloten die Lizenz zum Fliegen auf keinen Fall gegeben, so holprig und schlackernd wie er uns in Berlin zurück auf die geliebte Erde bringt. Ich bin in Panik! Und die Armlehnen meines Sitzes haben gerade ein neues Fingernagelmuster verpasst bekommen.

Auch wenn es mitten in der Nacht ist, muss ich runter an den Strand, den Wind spüren, das Rauschen hören, meine so vertrauten Lichter anschauen und Gott danken für diese wunderschönen Tage. Zum Glück habe ich mir etwas Salted Caramell mitgebracht!

Home, sweet home: Wie gut, dass es Salted Caramell gibt © Sandra Grüning
So endet der Tag, wie er begonnen, eingekuschelt in weiße Linnen. Nur dass es dieses Mal die meinen sind.

Schlaft gut und träumt süß!

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