Nachgehal(l)t


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Osterfeuer 2012 © Sandra Grüning

Das Feuer knackt und lodert. Die orange-gelben Flammen greifen gefräßigen Klauen gleich nach dem Himmel. Tausende Funken geben tausende Wünsche in die Nacht frei. Ich wärme mir die Hände. Atme den heimeligen Holzgeruch tief in mich ein. Ich drehe mich um zu den Stimmen in meinem Rücken. Und da stehst du. Du lächelst. Strahlst diese wohlige Zufriedenheit aus. Noch am Morgen hattest du geholfen, den riesigen Holzstoß aufzuschichten, hattest dich vom Tragen ermüdet kurz auf eine Kiste gesetzt, um auszuruhen. Und nun stehst du zwischen all den Menschen und prostest mir mit deinem Glühwein zu. Und ich antworte dir mit einem Lächeln.

Ich weiß, dass du nicht wirklich da bist. Nicht da sein kannst. Die Bilder, die ich sehe, sind nicht von heute. Sie sind längst nicht mehr real, im Gestern verschwunden. Denn du bist fort. Bist gegangen. Durch eine Tür, durch die dir niemand folgen kann. Und hast in denen, die dich lieben unzählige Leerstellen hinterlassen – nicht nur in den Herzen oder in unseren Seelen, sondern ganz konkrete. Leerstellen, die an manchen Tagen wie schwarze Löcher jedes Licht in sich aufsaugen.

Es ist still geworden – ohne dich. Kaum zu glauben, wie sehr ein Mensch ein Haus mit Leben zu füllen vermag. Automatisch schaue ich auf den Stuhl in der Küche, auf dem du stets gesessen hast. Ich höre deine Stimme, wenn ich die Augen schließe. Höre, wie du mir erklärst, wie man Bommi Pflaume trinkt. Höre dein Lachen, während ich dir von städtischen Sitzungen erzähle, über die ich in der Zeitung geschrieben habe. Ich vermisse deine Geschichten und Abenteuer – aus Zeiten, als du der schnellste Mann von Oldenburg warst. Ich vermisse deinen Rat, wenn mein Weg an eine Gabelung kommt. Deine pragmatische Art das Für und Wider einer Sache gegeneinander abzuwiegen. Sie fehlt so oft. Genauso wie dein Humor, deine Lebenslust.

Vermutlich gehen alle Kinder davon aus, ihre Eltern würden ewig leben. Sie würden sie auf ewig bei der Hand nehmen und sie durch alle Widrigkeiten des Lebens hindurch begleiten. Nun warst du zwar nicht mein leiblicher Vater. Aber mein Vater im Herzen. 18 Jahre lang. Und du hast mich und mein Leben geprägt und nicht selten – wenn auch unbewusst – gelenkt.

In meinen Gedanken bist du stets lebendig. Und ich werde darauf achten, dass du in mir nie stirbst. Denn du hast etwas in meiner Seele hinterlassen, was dich immer gegenwärtig sein lässt.

Ein Kommentar zu „Nachgehal(l)t

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  1. Das ist wunderwunderschön geschrieben.- Ich kenne das, so viele, die gegangen sind, sitzen noch mit mir am Lagerfeuer. Ich habe gerade einen Roman darüber geschrieben. Aber du bekommst das Gefühl in einen einzigen Artikel, klar und echt. Besser und herzlicher gehts nicht…

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