Tórshavn 28. januar 2019


Morgens in Tórshavn © Sandra Grüning

Durch das stete Auf und Ab der Wellen habe ich geschlafen wie ein Baby in der Wiege. Nur leider viel zu kurz. Ein höllischer Lärm weckt mich und ich schaue ein wenig benommen aus dem Fenster. Wir legen schon in Tórshavn an. Gefühlt mitten in der Nacht. Ich will wissen, wie kalt es draußen ist. Denn ich sehe überall Schnee. Leider habe ich hier überhaupt kein Netz. Mist!

Was ich bislang nicht wusste, die Färöer Inseln gehören zwar zu Dänemark, aber nicht zur EU. Das wollten die Insulaner selbst so. Das heißt aber auch, ich habe hier – wie auf hoher See – kein Netz. Und das WLAN an Bord kostet ein Vermögen. So muss ich denn wohl auch in Tórshavn das Surfen auf ein paar Abendstunden reduzieren. Zwar habe ich inzwischen ein Passwort fürs Crew-Netz. Doch das ist eine schleichende Schnecke.

Es ist noch fast dunkel, als wir uns aufmachen, mit den Färöern auf Tuchfühlung zu gehen. Unser Guide ist ein waschechter Färöer. Er heißt Jógvan und ist genauso verliebt in seine 18 Inseln große Heimat, wie ich in meine eine. Das ist mir sehr sympathisch. Und Jógvan hat Spaß daran, uns die schönsten Ecken seines Zuhauses zu zeigen. Als erstes erfahren wir von ihm, dass die Färöer bei den Färöern eigentlich nicht Färöer, sondern Føroyar heißen. Denn Färöisch ist eine ganz eigene Sprache und hat mit dem Dänischen, zu dessen Königreich die Føroyar gehören, nicht allzu viel gemeinsam. Vielmehr mit der einst auf den Shetlandinseln, inzwischen aber ausgestorbenen Sprache Norn.

Aber weiter geht’s durch die Hauptstadt der Føroyar.

Sonnenaufgang in Tórshavn © Sandra Grüning
Sonnenaufgang in Tórshavn © Sandra Grüning

Jógvan führt uns durch das alte Tórshavn mit seinen schwarzen Holzhäusern, die wie bei uns auf Usedom alle Namen tragen, und erzählt bei erfrischenden Null Grad und der hinter der Norönna aufgehenden Sonne über die Geschichte seines Landes, die Politik, das Leben, Føroyar-Berühmtheiten wie den Medizin-Nobelpreisträger Niels Ryberg Finsen und das Kinderparlament, das einmal im Jahr tagt. Die Føroyar sind ein stolzes, aber auch friedliebendes Völkchen, das keine eigene Armee zu brauchen scheint, dafür aber eine der ältesten Demokratien hat. Das Løgting ist das Parlament der Føroyar. Und in dem wird darüber abgestimmt, was die Føroyar wollen und was nicht. Viele ihrer Gesetze haben sich seit Jahrhunderten nicht verändert. Warum auch. Sie funktionieren heute noch genauso gut wie damals.

Das alte Tórshavn © Sandra Grüning
Das alte Tórshavn © Sandra Grüning
Gegensätze © Sandra Grüning
Gegensätze © Sandra Grüning

Der Nationalsport der Føroyar wird neben dem Fußball in kleinen, nachgebauten Wikingerbooten ausgetragen. Sie sind handgearbeitet, haben nie eine technische Zeichnung gesehen. Und sind einzigartig wie jeder Mensch. Stolze 100.000 Euro aufwärts können sie kosten. Sie sind der Mercedes unter den Booten. Und haben doch noch nicht einmal einen Motor oder eine Kajüte.

Der Mercedes unter den Booten © Sandra Grüning
Der Mercedes unter den Booten © Sandra Grüning

Überall zwischen den Häusern gibt es wunderschöne Ausblicke auf die Bucht und die gegenüber liegenden Felsen. Der Kontrast gegen die große Norröna könnte nicht krasser sein. Es geht vorbei an der kleinsten Kathedrale der Welt, in der die berühmteste, weil wahrscheinlich einzige Doom Metal Band der Føroyar, Hamferð, einmal aufgetreten ist. Nach dem Konzert, das proppenvoll mit finster dreinschauenden Menschen gewesen sein muss, hat der Bischof gesagt: Einmal und nie wieder.

Schneepisten © Sandra Grüning
Schneepisten © Sandra Grüning
Schafskälte © Sandra Grüning
Schafskälte © Sandra Grüning

Auf dem Weg zu einem ganz besonderen Ort, fahren wir durch unwirtliche Schneelandschaften. Überall entlang der felsigen Küsten liegen die Schafe auf den frostig kalten Wiesen. Sie sehen uriger und kuscheliger aus als unsere. Und da sie völlig frei durch die Gegend laufen können, kommt es durchaus vor, dass ihnen ganz plötzlich einfällt, über die Straße gehen zu wollen. Ganz egal, ob da gerade ein Bus voller Touris vorbei möchte. Die Wolligen haben die Ruhe weg.

Ein magischer Ort © Sandra Grüning
Ein magischer Ort © Sandra Grüning
Kirkjubøargarður © Sandra Grüning
Kirkjubøargarður © Sandra Grüning

Der Kirkjubøargarður ist ein magischer Ort. Ich fühle mich, als würde ich in eine andere, längst vergangene Zeit an einen völlig exotischen Ort versetzt. Die Landschaft ist einzigartig. Schroffer Felsen, der kurz hinter der Uferlinie des Atlantik in die Höhe wächst. Schnee bedeckt die Hänge. Der Himmel hängt tief über den kleinen, mit Gras bewachsenen Farmhäusern, die auf dem schmalen Streifen zwischen Meer und Felsen kauern.

Der Kirkjubøargarður ist neben der ältesten in Benutzung befindlichen Kirche der Føroyar – gebaut 1111 – auch das älteste Holzhaus Europas. Hier tauche ich ein in die Welt, die ich mir als die der Wikinger vorstelle, die Wale und Klippenvögel jagen und gemeinsam in urigen Holzhütten feiern und singen.

Das älteste Haus © Sandra Grüning
Das älteste Haus der Føroyar © Sandra Grüning
Old stuff © Sandra Grüning
Old stuff © Sandra Grüning

So weit weg von meinen Vorstellungen ist das, was Jógvan erzählt nicht. Die kleine Kirche von Kirkjubøargarður hat schon vieles gesehen, ihre meterdicken Wände vieles gehört. Das alte Farmhaus gleich nebenan, mit seinen niedrigen, reich verzierten Türen ist das älteste Farmhaus – 900 Jahre alt – des Landes. Das typische Grasdach, das aller Orten zu sehen ist, besteht aus einer dicken Torfschicht. Eine ideale Isolation gegen Kälte und Wind.

Noch immer sieht es dort aus wie früher, ist Zeugnis von Traditionen, von denen einige noch heute existieren. Die reich verzierten Hirtenstäbe in einer Ecke zum Beispiel sind noch heute für junge Männer ein Statussymbol, wenn sie ein Mädchen beeindrucken wollen.

Ein Ort voller Geschichten © Sandra Grüning
Ein Ort voller Geschichten © Sandra Grüning

Abends saß man damals im großen „Wohnzimmer“, das zugleich Küche und Schlafzimmer war, hat das Haupterzeugnis der Føroyar, die Schafswolle, verarbeitet, Pullover gestrickt und gesungen. Die Føroyar haben keine geschriebene Geschichte, sie haben eine gesungene. Denn sie singen für ihr Leben gern. Die Kinder lernen die alten Balladen schon von klein auf. Dabei benutzen sie keine Instrumente, nur ihre Stimme und die Füße.

Thore - Musikgott © Sandra Grüning
Thore – Musikgott © Sandra Grüning

Apropos singen… Auch unser Helgoland-Insulaner Thore hat viele Talente. Er kann nicht nur fliegen und das Ankerherz-Radio moderieren; er kann auch super Gitarre spielen und singen. Wir kommen in den Genuss von Selbstgeschriebenem mit Denkanstoß- und Gänsehautgarantie.

Die Føroyar-Passage © Sandra Grüning
Die Føroyar-Passage © Sandra Grüning

Die Føroyar verschwinden langsam im Schneesturm. Zurück bleiben wundervolle Bilder und Eindrücke eines ebenso unglaublich schönen Tages. Ich muss an Thores Worte denken: Es geht nicht darum, irgendwo anzukommen, sondern die Momente auf dem Weg so schön, wie möglich zu machen.

Góða nátt. Vit síggjast í morgin.

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[Der Text enthält Werbung aufgrund von Namensnennung! Alle Anregungen und Vorschläge, Empfehlungen und Bewertungen sind jedoch meine eigene Meinung und mein ganz persönlicher Geschmack, der gerne geteilt, aber auch anders empfunden werden kann.]

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