
Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mich von meinen Ängsten nicht unterkriegen zu lassen. Nicht sie sollen über mein Leben bestimmen dürfen. Sondern ich.
Die Herausforderung für mich: Ich habe unzählige Ängste. Ich weiß, dass viele davon völlig unbegründet sind und die eigentliche Angst, die vor meinem eigenen Mut ist. Darum stelle ich mich diesen falschen Panikmachern. Und wenn es noch so viele sind.
Da ist zum Beispiel meine Höhenangst. Was ich dagegen tue? Ich springe aus Flugzeugen. Inzwischen schon zweimal. Mit überleben.

Und dann ist da meine Flugangst. Also setze ich mich in Flugzeuge. So lange bis es sich gut anfühlt. Und das tut es – mit jedem Mal ein bisschen mehr.
Ich habe Angst vor fremden Menschen, fremden Orten, fremden Situationen. Also habe ich das Reisen für mich auserkoren, diesen Ängsten zu begegnen. Anstatt vor ihnen davon zu laufen.
Es kostet mich ungeheure Kraft. Doch es hat sich bislang jedes Mal gelohnt. Ich wurde beschenkt mit unglaublich schönen Bildern und Eindrücken. Und der Zuversicht, meine Ängste meistern zu können.
Und jetzt? Stehe ich vor dem nächsten Abenteuer: 14 Inseln, 50 Brücken. Und drei Tage Zeit, einzutauchen ins Stockholmer Lagom.
Ich habe von der Stadt geträumt. Immer wieder. Und dass, obwohl ich nie dort war. Grund genug, endlich hinzufliegen.
Gesagt, getan. Machen – höre ich fast jeden Tag. Doch am heimischen Äpfelchen reist es sich ungleich gewagter als in dem Moment, in dem es tatsächlich losgehen soll. Da kommt dann doch ein wenig Panik auf. Und ein wenig Bauchkribbeln. Was zum Teufel habe ich mir nur dabei gedacht, so ganz allein durch die Welt zu abenteuern?

Ich mache es mir leicht. Weltenbummeln im Häppchenformat. Als erstes auf ins Berliner Küstenkind-Viertel: Clärchens Ballhaus, Lieblingsbuchläden, Galerien, Cafés en masse, Delikatessen und die lachendsten Augen von Berlin. All das ist mir so vertraut, dass es sich anfühlt, als besuche ich eine gute, alte Freundin.

Hier kann ich sein und werde dafür auch noch sehr nett beflirtet. Da rückt Schweden plötzlich sehr weit weg. Wie viele tausend Kilometer sind das doch gleich? Gefühlt hinter dem Mond. Und dabei bin ich gerade sehr gern hier in dieser kleinen, italienischen Bar. Ich zögere den Abschied hinaus. So lange ich kann und sämtliche Flugverpassalarmglocken schrillen.

Und ab in den Berliner Feierabendverkehr. Ich spüre deutlich den Puls in meiner Halsschlagader, habe das Gefühl, sie platzt gleich. Das Adrenalin gibt mir einen Kick. Ich muss mich zwingen, ruhig zu bleiben, als die Frau vor mir mit ihrem Twingo nach links ausschert als hätte sie einen Bus unter ihrem Allerwertesten, um nach rechts abzubiegen. Und das in Zeitlupentempo. Ich überlege kurz, ihr beim Um-die-Ecke-tragen ihres Autos zu helfen.
Aber ich schaffe es und sitze leicht schweißgebadet – das könnte allerdings auch an der dicken Daunenjacke für die polarwinterlich kalten Tage in Stockholm liegen – im Flughafen-Café und gönne mir ein Bier. Und es schmeckt!

Zumindest so lange, bis meine Flug aufgerufen wird. Ich bin schlagartig nüchtern. Denn das heißt: Das Abenteuer Stockholm beginnt. Zieh Dich warm an!
Während ich eingekuschelt zwischen zwei smarten Schweden sitze, kramt mein Kopf krampfhaft danach, ob er irgendwann schon einmal von einem Absturz eines skandinavischen Flugzeugs gehört hat. Hat er nicht. Beruhigt mich angesichts des Affenzahns, mit dem wir über die Piste holpern, trotzdem nicht. Es ist doch immer das Gleiche. Bis das Hirn abhebt und wie in Watte durch die Lüfte wabert.
Eine knappe Stunde später stehe ich mehr als 1000 Kilometer weit weg. Unfassbar! Ich brauchte länger nach Berlin als nach Stockholm. Ich kann die Indianer gut verstehen, die auf ihre Seele warten müssen, wenn sie verreisen.
Und der Empfang?
ABBA natürlich. Aus allen Lautsprechern. Skurril. Hat was von einem völlig schrägen Film. Da um diese nachtschlafene Zeit niemand zuschaut, tanze ich mich mit der Dancing Queen in Richtung Stockholm: „You can dance. You can jive. Having the time of your life.“ Na, denn man tau.
Aber erst brauche ich Schlaf. Viel Schlaf! Damit meine Seele Zeit hat, über die Ostsee zu wandern. Schlafen auf einem alten Schiff mit Blick übers Wasser auf das beleuchtete Stockholm. Das hat was.
God natt sov gott och dröm sött.
Liebe Sandra, du schreibst einfach wunderbar…nachdenklich, erfrischend und lustig🌺👍 wünsche dir eine wunderschöne Zeit in Stockholm….freue mich schon auf die nächsten Zeilen!!!!!
Liebe Andrea, was für ein Aufwachen! Nicht nur die Sonne, die in meine Kajüte scheint und dieser Blick auf die Stadt zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich danke Dir für Deine Zeilen. Die haben mich sehr gefreut.